KÄFER WIESN-SCHÄNKE: IN IST, WER DRIN IST

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IN IST, WER DRIN IST

[Aus dem Magazin "Fallstaff" Sonderausgabe Käfer Spezial (Mai 2020) /
Fallstuff Deutschland GmbH, Wolfgang M. Rosam, Dr. Ulrich Sautter, Düsseldorf 2020]

Ein Oktoberfest ohne das Käfer-Zelt? Undenkbar. Hier steigen die besten Partys, hier reißen sich Besucher aus aller Welt um die begehrten Plätze. Mit Hang zur Perfektion kümmern sich die Mitarbeiter um das Wohl der Gäste. Liebevoll schmücken sie die Tische, tragen Maßkrüge durch die Reihen und schenken auf Wunsch Wein-Raritäten aus.
Auch wenn das Fest in den letzten Jahren ausfallen musste – 2022 wird alles nachgeholt!

Es ist 18:45 im Schichtwechsel in der Käfer Wiesn-Schänke auf dem Oktoberfest. Die Tagesgäste sind weg, die Abendgäste kommen um 19.15 Uhr. „Obacht“, ruft eine junge Frau in Dirndltracht. Sie hat eben an der Schänke zwölf Maßkrüge mit Paulanerbier ausgehändigt bekommen, die sie jetzt waghalsig gestapelt in Richtung Garten schleppt. In Edelstahlregalen stehen Brotzeitplatten mit geselchtem Schinken, Schnittlauchbrot und Radieserl – vorbereitet für die Abendschicht. Chefkoch Andreas Schinharl präsentiert Fotograf Alan und mir sein heutiges Meisterwerk: ein wuchtiges Holzbrett mit Hirschschinken, Wildschweinsalami und Wildpastete, das – passend zu dem Thema – mit einem Hirschgeweih dekoriert ist.

Es duftet nach Rostbratwürsten, Spanferkel und Blaukraut. Und nach Geflügel. Hinter einer Trennwand in der Küche drehen sich an neun Bratstationen jeweils 48 Hendl am Spieß. Gefühlte Temperaturen in dem Raum 100 Grad Celsius. „Also, sechs Liter Wasser muss man schon am Tag trinken, um nicht umzukippen“, sagt Harry, der Hendlbrater.“Und eine halbe Bier!“. Koch Martin Rosenbaum gibt letzte Anweisungen.Einer der 67 Mitarbeiter in der Küche arbeitet am Teig für den legendären Kaiserschmarrn. Im Hintergrund steht ein 120-Liter-Kessel mit warmer Vanillesauce. Sie wird jeden Morgen von der Frühschicht frisch angesetzt.

 

 

 

GIGANTISCHE LOGISTIK

Ein paar Stunden backstage in der Käfer Wiesn-Schänke zu verbringen, gestattet einem einen kleinen Einblick in die gigantische Logistik, die hinter dem reibungslosen Ablauf von Käfers Spezialgastronomie auf dem größten Volksfest der Welt steckt. 1992 übernahm Michael Käfer die Wiesn-Schänke von seinem Vater Gerd. Dieser hatte 1971 erstmals als Wiesnwirt ausgeschenkt: in einem kleinen Bauernhaus mit 40 Plätzen neben dem Schottenhammel-Zelt. Im Jahr 1973 zog er damit an den heutigen Platz unterhalb der Bavaria. Und dann wurde stetig expandiert.

Wie schon sein Vater, beauftragt nach Michael die Schreinerei Rauffer mit dem Auf-, An- und Anbau des Gebäudes. Zehn Wochen dauert es jedes Mal, hunderttausende Puzzleteile zu dem bayrisch-eleganten Bauernhaus zusammenzufügen, vier bis fünf Wochen, sie wieder auseinanderzunehmen. Die Kosten: rund 1,5 Millionen Euro. Gelagert werden die nummerierten Teile in Schiffcontainern auf Rauffers Firmengelände in Haar östlich von München – bis zum Aufbau jeden Juli für das nächste Fest. An dieser Stelle müssen noch ein paar Zahlen genannt werden: An 16 Tagen werden in der Käfer Wiesn-Schänke rund 22.000 Hendl, 12.000 Enten und 1000 Gänse verspeist, dazu rund 24.000 Semmel—und 72.000 Kartoffelknödel. Im Durchschnitt tragen 178 KellnerInnen bis zu 10.000 Gerichte täglich zu den Gästen im Bauernhaus mit 1383 Plätzen oder in den Garten, in dem bis zu 2000 Personen sitzen können. Wieviel Bier in den einzelnen Zelten ausgeschenkt wird, gibt traditionell keiner der Wiesnwirte preis. Nur so viel: 2019 wurde auf dem Oktoberfest insgesamt 7,3 Millionen Maß getrunken. Chefin der Käfer Wiesn-Schänke ist seit 24 Jahren Susanne Geimann.

Es ist ein lauer Abend, der Betrieb im Garten läuft auf Hochtouren. Die Fahrgeschäfte schillern mit schrillen Neon-Schriftzügen. Im Haus herrscht hektische Betriebsamkeit. Eine halbe Stunde bleibt dem Putztrupp, um die Spuren der Nachmittagsbelegungen zu entfernen – Papierservietten, Brot, zerschellte Gläser. In den Boxen reißen die Dekorateure Ballons und Trockenblumen herunter, die an glitzernden Bändern von den Balken hängen. Ein Unternehmensberatung bespaßte hier mittags ihre Gäste. Die Box wird jetzt mit Brezen-Motiven aufgehübscht. In einer anderen lautet das Motto „Liebe“, das mit unzähligen roten Herzballons umgesetzt wird. Jeden Tag wird dreimal neu dekoriert, 15 Leute stehen dafür zur Verfügung – und etliche Floristen. Und jeder Gästewunsch wird erfüllt: Wenn eine Gruppe Junggesellen einen anderthalb Meter hohen Frauentorso aus kristallklarem Gletschereis wünscht, bitte schön.

Die Bedienungen stehen für die Abendschicht bereit und werden von einem der sechs Oberkellner eingeteilt. Die Männer tragen schwarze Hosen und Trachtenwesten, die Frauen Dirndl, die von der Münchener Designerin Julia Trentini entworfen wurden. Die Arbeit im oberen Geschoss ist bei Kellnerinnen und Kellnern sehr begehrt. Die Bierausschankstelle ist nicht weit, hier ist ab 21 Uhr Riesenstimmung angesagt, und damit sprudelt auch die Trinkgeldquelle. Es werden wieder einige prominente Gäste erwartet, da muss man gut vorbereitet sein. Auf einem der Tische steht bereits ein großer Weinkühler mit drei Flaschen Scharzhofberger Riesling Jahrgang 2016. An einem geheimen Ort lagern die kostbaren Schätze, darunter begehrte Wein-Raritäten und Champagner von Laurent-Perrier in allen Größen von Methusalem bis Balthazar. Ein paar 6-Liter-Flaschen eines nicht benannten Champagners gehen immer weg. An anderer Stelle stapeln sich Kisten mit Wasser und Weinen aus aller Welt. Sie werden alle anderthalb Tage aus dem Hauptlager im oberbayrischen Parsdorf angekarrt.

In einem abgeschossenen Raum befinden sich – perfekt temperiert – die wertvollen Rotweine, die selbst verwöhnte Connaisseurs nichts vermissen lassen. Wenn ein Gast einen raren Tequila wünscht, hält Michael Maleschko, der Herrscher über alle Getränke, auch diesen bereit, ist doch klar. Im vergangen Jahr wurde für die gesteigerten Ansprüche der Gäste auch erstmals ein Sommelier angeheuert. „Das Weinthema wird auf der Wiesn immer wichtiger“, sagt der gelernte Önologe Manuel Lindemayr, der sonst im Stammahaus von Käfer an der Prinzregentenstraße Gäste die Weinbegleitung empfiehlt.

 

 

 

 

BELIEBTER NEBENVERDIENST

Gutes Geld aber auch Spaß motiviert die Mitarbeiter dazu, sich dem 16-Tage-Irrsinn auszusetzten. Viele sind schon lange dabei. Martha, die eigentlich als Sekretärin arbeitet, schleppt schon seit Jahren die schweren Tablets mit Essen die Treppen rauf und runter. Metzgermeister Paul Nagler, der die Garzeit von Haxn & Co. in der Braterei überwacht, steht seit 17 Jahren am Grill der Käfer Wiesn-Schänke. Hannick aus Kamerun ist im wahren Leben Ingenieur und arbeitet seit vier Jahren in der Backstube des Straßenverkaufs. „Mein Vater hatte in Kamerun eine Bäckerei. Ich habe als Kind dort ausgeholfen. Die Arbeit hier erinnert mich daran“. Die Stimmung ist gut. 90 Prozent der Mitarbeiter, darunter Medizinstudenten, Anwälte und Piloten, sind jedes Jahr wieder dabei.

19.15 Uhr. Die ersten Gäste strömen ins Haus. Chef Michael Käfer dreht noch eine Runde. Er weiß, wo wer sitzen wird. „In einem Haus mit 80 Prozent Stammkundenanteil ist der Kontakt des Wirts zu den Gästen wichtig“, sagt er. Das Team des FC Bayern kennt er. Es rückt jedes Jahr am letzten Wiesn-Sonntag an. Auch Gloria von Thurn und Taxis, die schon mal mit Größen wie Bill und Hillary Clinton im Schlepptau auftauchte, wird mit Handschlag begrüßt. Ralph Siegel und seine Entourage trudeln ein und besetzten eine Box im Erdgeschoss. Wie immer. Der Erfolgskomponist gehört längst zum Inventar. Fußballer Toni Kross kommt die Treppe herauf und verschwindet im hinteren Eck. Thomas Gottschalk trinkt eine Maß Bier mit ein paar Bekannten und seiner Lebensgefährtin Karina Mroß. Ein Brotzeitbrettl steht auch auf dem Tisch. CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hat eine Box reserviert. Unter seinen Gästen: Moderatoren-Urgestein Werner Schulze-Erdel und Rapper Kay One, der für den Anlass das Hoodie ab- und die Hirschlederne angelegt hat. Die Frauen tragen pastellfarbene Hochglanz-Dirndl mit Schürzen aus Tüll, das Haar ziert ein Kranz aus falschen Blumen, den Kopfschmuck de jour. Ein paar Meter weiter tanzen ein paar Frauen bereits auf den Bänken: Boris Beckers Ex-Frau Lilly, Viktoria Lauterbach und Verona Pooth. Die mobile Band „Speedos“ heizt ihnen mit dem Helene-Fischer-Song „Atemlos“ ein.

Der Gäste-Mix ist jeden Tag: Fußballer, Medienstars und andere prominente Gäste mischen sich mit „Normalsterblichen“, die einen der raren Plätze bekommen haben. Denn entgegen dem viel gehörten Mythos kommen auch nicht prominente Gäste rein, mit Geduld und Glück. Es ist kurz nach 20 Uhr. Alle Plätze sind besetzt. Jutta, Mitglied der Hausband „Gerry & Gary“, trägt ihre Helikontuba auf die kleine Bühne in der Mitte des Raums. Noch dudeln Song von der Band. „Bald geht der Punk ab bis ein Uhr früh“, erzählt Kellner Sebastian. In ist, wer drin ist – und sonst niemand. Hauptsache, sie tragen eines der begehrten Einlassbändchen.

Ab 23 Uhr, wenn die meisten Zelte schließen, ist beim Käfer-Zelt die härteste „Tür“ der Welt. Die Security-Leute an den zwei Eingängen sind beinhart. Ein paar Tage zuvor wurde selbst Ex-Fußballstar Jens Lehmann abgewiesen. Kein Bändchen, kein Einlass. „Es spielen sich unglaubliche Szenen ab“, erzählt Jennifer, die als Security seit Jahren den hinteren Eingang bewacht und Nerven aus Stahl hat. „Die Frauen schwindeln“. „Fuck ju Göhte“ –Star Elyas M`Barek hat plötzlich gefühlt 1000 allerbeste Freundinnen. „Männer pöbeln und rütteln am Zaun. Manche weinen. Die ganz Besoffenen werfen sich auf den Boden und schreien so lange herum, bis wir sie abtransportieren“. Die, die drin sind, tanzen bis zum Umfallen auf den Bänken. Die Band spielt Stimmungsmacher zum Mitgrölen: „Die Hände zum Himmel“, „Cordula Grün“ und den ewigen Hit „Resi, i hol di mit dem Traktor ab“. CEO Michael Käfer holt seine Gäste natürlich auch ab. Jeden einzelnen begrüßt er, läuft jede Reservierung an, 16 Tage lang. Der erste Eindruck zählt – auch in der Käfer Wiesn-Schänke.